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Die Blutspur der USA – Orient-Experte Michael Lüders analysiert die amerikanische Götterdämmerung :: Blog von Paul-Josef Raue

Die Blutspur der USA – Orient-Experte Michael Lüders analysiert die amerikanische Götterdämmerung

Geschrieben am 23. April 2015 von Paul-Josef Raue in Politik, Sachbuch.

„Dieses Buch ist eine Abrechnung mit westlicher Politik.“ Was für ein Satz, den Michael Lüders gleich im ersten Absatz schreib! Also: Abrechnung mit Amerikanern und Europäern und allen im Westen, die sich zu den Guten zählen, zu denen, die Freiheit hochhalten und Menschenrechte.

Eigentlich müsste Lüders Buch das meistverkaufte in allen ostdeutschen Buchläden sein, trifft es doch den Nerv vieler, für die Amerika das Herz der Finsternis ist und Israel das Böse schlechthin. Doch wer nur seine Vorurteile, die schon vor der Wende galten, auffrischen will, den enttäuscht Lüders, der einer der besten Kenner des Orients ist und die Länder und Menschen von vielen Reisen und Begegnungen kennt.

Lüders sucht in der Geschichte die Ursachen für Kriege und Terror, für den Islamischen Staat und den Dschihad – und er geht zurück bis in die Kolonialzeit, als Briten und Franzosen Stammes-Grenzen zerstörten und mit dem Lineal neue zogen ohne Sinn, ohne Verstand.

Am Beispiel des Iran zeigt er, wie ein Staatsstreich von 1953 das Vertrauen der Menschen in die USA über Jahrzehnte bis in die Gegenwart zerstört hat. Vor gut sechzig Jahren, genau am 19. August 1953, organisierten der britische Geheimdienst und die CIA einen Putsch, mit dem sie den Regierungschef in Teheran stürzten, ein zudem an westlichen Werten orientierter Politiker, und dem Schah, einen willigen Diktator, die Rückkehr aus dem Exil ermöglichten und die Rückkehr zur alleinigen Macht.

„Mitten im Kalten Krieg spielten die Vereinigten Staaten eine Rolle beim Sturz einer demokratisch gewählten iranischen Regierung.“ Diesen Satz sprach 2009 in Kairo ein des Anti-Amerikanismus unverdächtiger Mann: US-Präsident Barak Obama.

Was nach dem Putsch von 1953 folgte ist die iranische Antwort: Die „islamische Revolution“ Khomeinis, die 404-Tage-Geiselnahme von US-Diplomaten, der Nervenkrieg um die Atombombe – und ein tiefes Misstrauen gegenüber den USA und dem Westen insgesamt.

Lüders sieht in dem 1953-er Putsch ein Grundmuster, das die USA und ihre Verbündeten später immer wieder anwandten, ob in Afghanistan oder dem Irak und anderen Interventionen: Die Dämonisierung des Gegners.

Die Amerikaner haben, so Lüders, aus ihren Interventionen Kriegen, die sie führten und die alle scheiterten, nichts gelernt: „Der Weltpolizist hat wesentlich dazu beigetragen, unsere Feinde überhaupt erst zu erschaffen. Al-Quaida wie auch der ,Islamische Staat‘ verdienen beide das Label ,Made in USA‘“.

Lüders verweist auf das Misstrauen der arabischen Politiker, die sich nährt aus dem Gegensatz von Freiheits- und Menschenrechts-Versprechen auf der einen Seite und der breiten Blutspur auf der anderen sowie wirtschaftlicher Strangulierung und Zusammenarbeit mit übelsten Diktatoren – „solange sie nur pro-westlich sind“.
Lüders Buch ist ein tief pessimistisches. Auch Regierungen und Opposition im Orient verlieren sich „auf absehbare Zeit im Nebel von Gewalt und Zerstörung“, und Lüders fragt resignierend:

Zerfällt die staatliche Ordnung im Nahen und Mittleren Osten insgesamt, so wie Jugoslawien zerfallen ist? Die bewährten Methoden westlicher Einflussnahme, Militär und Sanktionen, werden daran im Zweifel nichts ändern.

Lüders Blick auf die neue Weltordnung ist eher nebelumhüllt: Der amerikanischen Götterdämmerung folgt eine Zeit neuer Unübersichtlichkeit, die nach Diplomatie, Interkulturalität und Pragmatismus verlangt. Ein bisschen mehr hätte sich der Leser am Ende einer Reise durch verglühende Illusionen, Werte und Hoffnungen schon gewünscht.

Mit kleinen Schritten sollen wir anfangen und selbst Verantwortung übernehmen. „Lernen wir Demut und Bescheidenheit, bei allem Stolz auf unsere eigene Kultur“ – so endet Michael Lüders und fordert uns auf, Antisemitismus und Islamhass zu ächten, Härte zu zeigen gegenüber allen, die unsere Freiheit missbrauchen und Flüchtlingen zu helfen, bei uns Wurzeln zu schlagen. Und dann?

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Michael Lüders: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet. Beck-Verlag, 175 Seiten, 14,95 Euro

Thüringer Allgemeine, 25. April 2015

 

Kommentar per Facebook von Wolfgang Kretschmer (23. April)

Viele der von Ihnen in der Rezension des neuesten Buchs von Michael Lüders genannten Tatsachen zur „westlichen“ Kolonialpolitik in den Verfallszeiten des einstigen osmanischen Großreiches sowie zu von westlichen Geheimdiensten nicht nur in Iran zu Zeiten des Kalten Krieges organisierte Putsche sind bekannt und in historischer Forschung weitgehend aufgeklärt. Wobei sich man sich auch fragen muss, was Moskau per DDR-Mitteln zu diesen „Erkenntnissen“ beigetragen hat.

Prinzipiell fände ich es gut, wenn vernetzte auch in ökonomische Interessen eingebundene Autoren ihre Einschätzung zur Lage „Nahost“ auf dem Büchermarkt feilbieten wie etwa Jürgen Todenhöfer, der Autorenhonorare in Flüchtlingshilfe und Entwicklung vor Ort in die Hilfe für Opfer missratener Staatenbildung aus Kolonialzeiten steckt. Dies würde wie üblich bedeuten, dass unterhalb offizieller diplomatischer Ebene zuerst auf ökonomischen Wegen sich friedfertige Kontakte anbahnen.

Leider ist zu beobachten, was kein halbwegs aufgeklärter Mensch heutzutage mehr verstehen kann: Religiöses wird als Waffe eingesetzt. Wer erinnert sich heute noch an den brutalen, vordergründig religiös motivierten Konflikt auf einer europäischen Insel nahe bei England? Es gibt ja einige Leute, die über den Crash religiös geprägter Zivilisationen nachdenken. Die USA haben nach Su wahrscheinlich ihre „Götterdämmerung“ noch vor sich. Möge uns Gott in Europa gnädig sein.

 

Facebook-Kommentar von Martin K. Burghartz (23. April)

Interessanter Blick auf das Buch von Lüders. Kleine Korrektur auf die 404 tägige Geiselnahme von Diplomaten in Teheran. Diplomaten?? Das war ein einziges Spionagenest inkl Passfälscherwerkstatt und kann noch heute an wenigen Tagen im Jahr besichtigt werden.

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